Bewährte Schemata für packende Geschichten

Storytelling: Die Technik aus dem Marketing macht auch in digitalen Lernangeboten Sinn. Im ersten Beitrag zum Thema haben wir die Frage beantwortet, was Storytelling ist und wie Autorinnen und Autoren zu guten Geschichten kommen, die Lerninhalte spannender machen. Im zweiten Teil widmen wir uns der Dramaturgie von Geschichten. Wir betrachten in aller Kürze die beliebtesten und wirksamsten Story-Schemata. Und wir sprechen uns für starke Emotionen in Geschichten aus.

somedia learning rene oberholzer

Autor: René Oberholzer; Konzepter, Autor, Projektleiter
Datum: 24. November 2022
Lesedauer: 6 Minuten

 

Spannungsbogen: vielfältige Möglichkeiten

Das Grundprinzip vieler Geschichten: Eine sympathische Hauptfigur befindet sich in einer emotional bedeutenden Ausgangssituation. Sie muss Konflikte und Hindernisse überwinden und entwickelt sich dabei merklich (Vorher-Nachher). Unterwegs kommt es zu einem Höhepunkt mit einem auf das eigene Leben anwendbaren Fazit – die Moral von der Geschichte.

 

Das Pixar-Schema

Dieses Erzählschema lebt vom Durchbrechen einer Routine durch ein aussergewöhnliches Ereignis, das Folgen für die involvierten Personen hat.

Bild zeigt das Pixar-Schema mit den Stationen der Heldenreise

Heldenreise 

Ein:e Protagonist:in lebt ihr normales Leben, bis ein «Weckruf» sie oder ihn zwingt, eine Reise anzutreten (oder eine Weiterentwicklung zu beginnen). Unterwegs müssen Widerstände, Skeptiker, Widersacher, Intriganten, Feinde o. ä. überwunden werden. Am Ende wartet ein befriedigendes Ziel (die Person löst ein grosses Problem, erhält eine ersehnte Belohnung, behält Recht, kommt in eine erwünschte Situation, kann jemand anderen von etwas überzeugen o. ä.). In klassischen Heldenreisen findet die Person unterwegs einen Verbündeten, der sie unterstützt, rettend eingreift, im richtigen Moment wichtige Informationen oder ähnliche «Benefits» beisteuert.

Eine klassische Heldenreise: Frodo Beutlins beschwerlicher Trip zum Schicksalsberg in «Herr der Ringe». Klar, oft lassen uns bei Lernangeboten Inhalt und Grenzen der Bearbeitungszeit selten die Möglichkeit, eine klassische Heldenreise aufzubauen – die Story nimmt schlicht zu viel Zeit ein.

Es geht aber auch kürzer. Hier eine Heldenreise in a nutshell: Budweiser’s «Lost Dog». Ganz ohne Worte.

Weitere bewährte Muster, wie Storys verlaufen können:
In diesen dreiteiligen Formaten spielt immer ein dringendes Problem oder eine Krise eine Rolle. Dieses Problem schreit nach Auflösung und treibt die Story weiter.

  • 3-Akte-Aufbau (ähnlich dem Pixar-Schema): 1) Ausgangssituation (Problem), 2) Dramatisierung (z. B. Konflikt), 3) Lösung
  • V-Formel: Darstellung des Helden, Krise des Helden, Wiederauferstehung
  • Dale Carnegie-Formel: Jemand hat ein prekäres persönliches Problem, ergreift die Initiative, befreit sich selbst daraus und erklärt die Vorteile seines/ihres Tuns. (Dale Carnegie = Motivationstrainer, erste Hälfte 20. Jh.)

 

Die Vorher-Nachher-Brücke (auch Ist-Vision-Schema oder Sparkline genannt):

Auch dies ist im Grunde ein 3-Akter. Das Prinzip lebt von der Gegenüberstellung. Akt 1: Wie sieht es heute aus? Akt 2: Wie soll es zukünftig sein? In Akt 3 kommt der «Call to Action»: Was müssen wir jetzt tun, um dahin zu gelangen? Und welcher Vorteil liegt dabei für dich drin?

Man sieht die Vorher-Nachher-Brücke; Akt 1: Stand heute, Akt 2: Veränderung, Akt 3: Call to Action/to do

Puzzle-Plot
Mehrere miteinander verwobene Rätsel resp. Problemsituationen werden nacheinander aufgelöst, um so ein stimmiges Ganzes zu entwickeln. Für die Teilnehmenden entsteht ein Aha-Effekt. Typisches Beispiel aus Kino und Fernsehen: «Der Da Vinci Code».

Twist-Plot
Die Erzählung scheint anfänglich in eine klare Richtung zu gehen. Doch die Teilnehmenden werden gezielt auf eine falsche Fährte geführt. Am Schluss kommt eine unerwartete Wendung. Das Prinzip kennen wir aus unzähligen Krimis.

Netzwerk-Plot
Auch wenn die Akteure oder Sachverhalte in der Geschichte zunächst scheinbar nichts miteinander gemeinsam haben – mindestens eine Verbindung gibt es dennoch. Diese wird schrittweise offenbart.

Storytelling als Einstieg

Ein Lernangebot lässt uns oft nicht genügend Raum für ausgiebiges Storytelling. Doch auch dann kann ein fesselnder Einstieg Motivation für die kommenden Lerninhalte wecken. Eine Kurzgeschichte zum Lesen, als Video oder als Hörspiel (max. 2 Minuten) kann das Publikum beim eigenen Erleben abholen, Relevanz stiften und Neugier schaffen.

Anders gesagt: Storytelling muss sich nicht durch das ganze Lernangebot ziehen. Es kann das Lernerlebnis auch würzen oder einleiten.

Wie kann so etwas aussehen? Hier erfahren Sie unter «Beispiele für Storytelling-Geschichten», warum Dorothy wichtig ist, welches Erfolgsrezept der Dropbox-Gründer verfolgt und wie ein Leerverkauf funktioniert.

Wenn die Teilnehmenden ihre eigenen Geschichten erfinden:

Präsentieren Sie drei bis vier scheinbar unzusammenhängende Bilder, mit der Anweisung an die Nutzenden: Erfinde die Geschichte dahinter. Das kann als Advance Organizer dienen, also zum gedanklichen «Vorwärmen» der später benötigten gedanklichen Konzepte.

Es sind 3 Bilder zu sehen: Ein Hund, eine Person mit einem Helikopter und ein Skifahrer

Zu einer guten Geschichte gehören Emotionen

Geschichten sollen Emotionen wecken, denn diese tragen zum Behaltenseffekt bei. Das fängt schon bei den ersten Sekunden an. Der erste Satz muss packen: «Benno hatte heute den lausigsten Tag seiner Karriere.» Sind Sie neugierig, was ihm passiert ist?

Neugier ist aber nur eine von vielen Emotionen, die man mit Geschichten wecken kann. Mit dem folgenden Video macht beispielsweise das Unternehmen Akzo Nobel seinen Mitarbeitenden Lust auf die persönliche «Extrameile». Interessant ist die komplexe Emotion, die hier angesprochen wird: Stolz auf das eigene Handeln. Schauen Sie sich das folgende Video an.

Und zum Schluss …

… wagen wir uns noch auf dünnes Eis mit einem Aufruf zum Mut:

Eine gute Geschichte lebt häufig auch davon, dass jemand negative Emotionen wie Empörung, Ängste, Sorgen, Ärger oder Enttäuschung preisgibt. So hat das Publikum die Chance, sich mit der Situation emotional zu identifizieren, denn das erleben wir selbst immer wieder. Auch wenn viele Unternehmen sich und die Mitarbeitenden gerne perfekt und im allerbesten Licht darstellen: Niemand kann sich wirklich mit absolut idealen Menschen identifizieren. Wir wollen uns in der Geschichte – zumindest ein stückweit – selbst wiederfinden. Sonst verkommt Storytelling zur netten, aber sterilen Hochglanzepisode, die keine Emotionen weckt.

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